16.06.2022

Unsere Fachtagung zur Reform des Betreuungsrechts und Rückblick auf 30 Jahre Betreuungsrecht

Seniorenmesse Schwedt 2019 webAufgrund der anstehenden Veränderungen des Betreuungsrechts und anlässlich des 30-jährigen Jubiläums des Betreuungsvereins Lebenshilfe Brandenburg e. V. sowie des Betreuungsrechts kamen am 16. Juni 2022 knapp 90 Teilnehmer*innen zu einer Fachtagung in Groß Behnitz zusammen. Neben einer Würdigung der Arbeit der haupt- und ehrenamtlichen Betreuer*innen wurde im Rahmen von Fachvorträgen ausführlich über die Reform des Betreuungsrechts informiert, die am 01.01.2023 in Kraft tritt.

 

Fachtagung Betreuungsverein Lebenshilfe Brandenburg e. V. – Veränderungen im Betreuungsrecht ab 2023 und Rückblick auf 30 Jahre Betreuungsrecht


Am 16. Juni 2022 konnten wir knapp 90 Teilnehmer*innen zu einer Fachtagung mit den Schwerpunktthemen „Veränderungen im Betreuungsrecht ab 2023“ und „Rückblick auf 30 Jahre Betreuungsrecht“ im Landgut Stober in Groß Behnitz begrüßen.

Neben dem Betreuungsrecht, feiert auch der Betreuungsverein Lebenshilfe Brandenburg e. V. in diesem Jahr sein 30-jähriges Bestehen. Dieses besondere Jubiläum wurde von Herrn Ministerpräsident Dr. Dietmar Woidke mit einem schriftlichen Grußwort gewürdigt, das zu Beginn der Fachtagung verlesen wurde. Der Ministerpräsident betont in seinem Grußwort die besondere Bedeutung der Arbeit des Betreuungsvereins und spricht von einer „großartige(n) Leistung, zu der ich den haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie Betreuerinnen und Betreuern von einst und jetzt ganz persönlich, aber auch im Namen der brandenburgischen Landesregierung ganz herzlich gratuliere!“.

Dieser Würdigung schloss sich der 1. Vorsitzende des Vereins, Herr Klaus Griehl, in seiner Begrüßungsrede ebenfalls an. Die Tätigkeit der rechtlichen Betreuer*innen, ob ehren- oder hauptamtlich, ist eine besondere und sehr verantwortungsvolle Aufgabe. Als rechtliche Betreuer*in wird man von Menschen gebraucht, die sich (teilweise) nicht mehr selbst vertreten können. Der Betreuungsverein Lebenshilfe Brandenburg e. V. ist im Jahr 1992 von engagierten Eltern von Menschen mit Behinderung und anderer Betroffener rund um Wolfgang Pohl (ehemaliger Geschäftsführer des Vereins) gegründet worden. Er hat sich als Interessenvertretung zur Aufgabe gemacht, das Betreuungsrecht in die Praxis umzusetzen, die Rechte von Menschen mit Behinderung oder psychischen Erkrankungen zu stärken und insbesondere ehrenamtliche Betreuer*innen für diese Menschen zu gewinnen, in ihre Aufgabe einzuführen und bei der ehrenamtlichen Betreuungsführung zu unterstützen. Trotz vielerlei Herausforderungen und wirtschaftlich schwierigen Situationen konnte sich der Verein zum größten Betreuungsverein Deutschlands entwickeln.

Mit der nun anstehenden Betreuungsrechtsreform, die zum 01.01.2023 in Kraft tritt, kommt eine weitere große Herausforderung auf die haupt- und ehrenamtlichen rechtlichen Betreuer*innen zu. In einem 90-minütigen Fachvortrag von Dr. Lydia Hajasch, Mitarbeiterin der Bundesvereinigung Lebenshilfe e. V., haben die Teilnehmer*innen der Fachtagung einen Überblick über die anstehenden Änderungen erhalten. Vertieft wurden im Anschluss an diesen Keynote-Vortrag insbesondere die Themen „Registrierung“ und „Querschnittsarbeit“.

Ab dem 01.01.2023 müssen sich hauptamtliche rechtliche Betreuer*innen bei ihrer „Stammbehörde“ (Betreuungsbehörde) registrieren lassen, um einen Anspruch auf Vergütung zu erhalten. Die Registrierung ist somit notwendig, um als rechtliche Betreuer*in tätig zu werden. In einem Vortrag von Kay-Uwe Lambrecht, Geschäftsführer Betreuungsverein Lebenshilfe Brandenburg e. V., wurde detailliert über das Registrierungsverfahren informiert und auch auf den notwendigen Sachkundenachweis eingegangen, den Betreuer*innen, die nach dem 01.01.2020 ihre Tätigkeit als hauptamtliche Betreuer*in aufgenommen haben, erbringen müssen. Die Registrierung und der Sachkundenachweis sollen u. a. der Schaffung von fachlichen und persönlichen Mindesteignungsvoraussetzung und der Sicherstellung der Qualität der rechtlichen Betreuung dienen.

Um die Qualität der ehrenamtlichen Betreuung zu stärken und zu sichern, wird es auch in diesem Bereich ab 2023 spezielle Veränderungen geben. So müssen ehrenamtliche Fremdbetreuer*innen verpflichtend eine Vereinbarung mit einem Betreuungsverein abschließen. Inhalt der Vereinbarung ist die Verpflichtung der ehrenamtlichen Betreuer*in zur Teilnahme an einer Einführungsschulung und der regelmäßige Besuch von Fortbildungen. Der Betreuungsverein benennt in der Vereinbarung wiederum eine feste Ansprechpartner*in und verpflichtet sich zur Übernahme einer Verhinderungsbetreuung. Während der Abschluss einer solchen Vereinbarung für die ehrenamtlichen Fremdbetreuer*innen verpflichtend ist, können Betreuer*innen, die eine enge Bindung zum Betreuten haben, eine solche Vereinbarung freiwillig abschließen.

Auf die Mitarbeiter*innen in den Betreuungsvereinen kommt damit eine Mammutaufgabe zu. Frau Nadine Sept, Mitarbeiterin in der Geschäftsstelle des Betreuungsvereins Lebenshilfe Brandenburg e. V., informierte die Teilnehmer*innen der Fachtagung in ihrem Vortrag ausführlich über die Änderungen im Bereich der Querschnittsarbeit. Unter anderem durch den Abschluss der Vereinbarungen mit den ehrenamtlichen Betreuer*innen und den damit zusammenhängenden Aufgaben wird die Querschnittsarbeit ab 2023 eine wesentlich größere Bedeutung haben. Im Land Brandenburg kommen auf jede bereits existierende Betreuungsstelle bis zu 428 ehrenamtlich geführte Betreuungen zu. Allein der Abschluss dieser Vereinbarung bzw. die damit zusammenhängenden Aufgaben erfordern ein hohes Maß an personellen und finanziellen Ressourcen. Daneben gibt es zudem weitere Querschnittsaufgaben, wie die Information und Beratung zu vorsorgenden Verfügungen, die der Verein (weiterhin) leisten soll und im Sinne der betreuten Personen und deren Angehörigen bzw. im Sinne der interessierten Bürger*innen leisten möchte.

In ihrem Vortrag hat Frau Sept jedoch herausgestellt, dass die Übernahme all dieser Querschnittsaufgaben nur vollumfänglich gelingen kann, wenn es entsprechende Fördermittel seitens des Landes Brandenburg und der jeweils zuständigen Kommune geben wird. Da die Ziele der Betreuungsrechtsreform nur erreicht werden können, wenn die Querschnittsarbeit in den Betreuungsvereinen gut gelingt und entsprechend finanziert wird, wirbt der Betreuungsverein Lebenshilfe Brandenburg e. V. aktuell für eine, wie es im Gesetz heißt, „bedarfsgerechte Finanzierung“. Wie im Rahmen der Fachtagung erläutert, bedeutet „bedarfsgerecht“ aus Sicht der Brandenburger Betreuungsvereine, dass 1,5 Personalstellen für die Durchführung von Querschnittsaufgaben finanziert werden sowie eine Finanzierung von Sachkosten und den sog. Strukturkosten der Vereine (insbesondere Förderung der notwendigen Fachaufsicht) erfolgt. Insgesamt besteht damit ein Finanzierungsbedarf von etwa 126.000 € je Betreuungsstelle im Land Brandenburg, der sich durch die stark zunehmende Bedeutung der Querschnittsarbeit und der deutlichen Ausweitung der Aufgaben rechtfertigt.

Die besondere Relevanz der Querschnittsarbeit betonte auch Frau Susanne Meffert, Geschäftsführerin des Landesverbandes Lebenshilfe Brandenburg e. V. im Rahmen einer Gratulationsrede anlässlich des 30-jährigen Bestehens des Betreuungsvereins. Sie sprach von zahlreichen ehrenamtlichen Betreuer*innen, die ihr gegenüber immer wieder lobend und dankbar das Engagement und die Hilfe der Mitarbeiter*innen des Betreuungsvereins erwähnen. Insbesondere in schwierigen Situationen, zu denen es im Rahmen der rechtlichen Betreuung immer wieder kommen kann, sei der Betreuungsverein erster Ansprechpartner und leistet wertvolle Unterstützung an den Stellen, an denen die ehrenamtlichen Betreuer*innen allein nicht weiterkommen.

Neben den Grußworten, Gratulationsreden, der Würdigung der haupt- und ehrenamtlichen Betreuer*innen sowie den fachlichen Vorträgen, zu denen auch ein Vortrag über die Optimierung der erforderlichen Dokumentation der rechtlich geführten Betreuungen und der Querschnittsarbeit gehörte, bot die Fachtagung Gelegenheit zum gegenseitigen Austausch und zur Klärung individueller Fragen der Teilnehmer*innen. Insbesondere die „Vernetzung“ der einzelnen Teilnehmer*innen im Rahmen von vielen Einzelgesprächen und das „voneinander lernen“, sind wichtige Bausteine, um die anstehenden Herausforderungen zu meistern.

Insgesamt war es für alle Beteiligten eine sehr gelungene Fachtagung, die einen intensiven Einblick in die anstehenden Änderungen ab 2023 vermittelt hat. Neben der Vorstellung von „Lösungsansätzen“ und der Präsentation bereits vorhandener Arbeitshilfen, wurden auch die Herausforderungen deutlich, vor denen der Betreuungsverein Lebenshilfe Brandenburg e. V. in den nächsten Jahren steht.

Bedanken möchten wir uns herzlich bei den geladenen Referent*innen und Gratulant*innen sowie allen Teilnehmer*innen, die die Tagung zu einem besonderen und sehr lehrreichen Ereignis gemacht haben. Ein ganz besonderes Dankeschön möchten wir dem Ministerium für Soziales, Gesundheit, Integration und Verbraucherschutz des Landes Brandenburg (MSGIV) aussprechen, das durch eine finanzielle Förderung die Durchführung der Fachtagung ermöglicht hat.

Nadine Sept
Geschäftsstelle Betreuungsverein Lebenshilfe Brandenburg e. V.